|
Getting your Trinity Audio player ready...
|
Kennst du diesen Moment, in dem jemand plötzlich erkennt, wie viel Freude ein Hobby wirklich bringen kann? Genau dieser Augenblick kann das ganze Leben verändern – so wie eine junge Knospe, die plötzlich begreift, dass aus ihr irgendwann eine mächtige Krone wird.
Und manchmal beginnt alles mit etwas völlig Alltäglichem: einem gemeinsamen Wochenende, einer Messe, einer spontanen Idee. Oder – wie in diesem Fall – mit einem Besuch der AKI TEN 2025. Eine Ausstellung, die für Bonsailiebhaber ungefähr das ist, was Disneyland für Fünfjährige darstellt: lautere Augen, als eigentlich möglich sind, schnellere Herzschläge, als gesund wäre, und mehr Versuchungen, als der Geldbeutel verkraftet.
Und genau dort passierte es.
Der Moment, in dem ein 29-jähriger Sohn an die Bonsai-Nadel kam – und so schnell auch nicht wieder davon loskommt.
Bonsai wirkt – manchmal schneller als Koffein
Da steht er also. Vor zwei Bäumen, die ihn anlachen, als hätten sie nur auf ihn gewartet:
Eine Südtiroler Eiche (Quercus robur, regional geprägt) und ein Taiwanischer Buchsbaum (Buxus microphylla). Zwei komplett unterschiedliche Charaktere: die Eiche robust und eigensinnig, der Buchsbaum flexibel und heimlich verspielt – wie zwei Freunde, die sich nie gesucht hätten, aber sofort miteinander können.
Und weil die Bonsai-Community manchmal ist wie eine italienische Großfamilie, gab’s zusätzlich noch Geschenke:
Eine junge Zirbelkiefer (Pinus cembra) plus ein paar Zirbelsamen.
Wenn das kein Start ins Bonsai-Leben ist, was dann?
Du kennst das vielleicht:
Man denkt, man kauft „nur mal eben“ einen Baum.
Und plötzlich hat man Substratreste unter den Fingernägeln, sucht im Baumarkt nach Drähten in Größen, die andere Menschen für völlig nutzlos halten, und beginnt Gespräche mit der Frage:
„Hast du eigentlich schon mal eine Stammverlängerung mit Raffia probiert?“
Willkommen im Club.
Der gemeinsame Workshop – oder wie Bonsai menschliche Wurzeln stärkt
Dann kam das Wochenende.
Das sagenumwobene Vater-Sohn-Bonsai-Wochenende.
Ohne große Ankündigung, dafür mit viel Herz, Werkzeug und Sandwiches im Anschlag.
Stell dir vor: Zwei Menschen, nebeneinander an der Werkbank, beide voller Tatendrang, beide mit demselben Ziel – einem Baum Form geben.
Noch besser: Dem ersten eigenen Baum eine Richtung schenken.




Damit fängt alles an.
Die Eiche – umgepflanzt in einen TiePot
Ein TiePot ist ja wie ein Fitnessstudio für junge Bonsai. Viel Luft, gute Drainage, schnelle Entwicklung – quasi die Sportschuhe unter den Trainingssystemen.
Die Südtiroler Eiche bekam so ein Upgrade und stand danach da wie ein Teenager, der nach einem Friseurbesuch plötzlich zwei Zentimeter größer wirkt.
Der kleine Eingriff?
Einfach, aber wichtig.
Neues Substrat, bessere Wurzelentwicklung, klarer Start.
Und während die Eiche sich eingewöhnt, sprießen schon die Ideen im Kopf:
„Aus dem wird mal ein Charakterbaum.“
Aber hey – ruhig Blut.
Eichen haben Zeit.
Und Geduld.
Und einen eigenen Willen.
Der Taiwanische Buchs – mehr Platz, mehr Möglichkeiten
Der Buchsbaum durfte in eine größere Schale umziehen.
Wurde Zeit.
Damit er endlich zeigen kann, was in ihm steckt.
So ein Buxus microphylla ist ja wie ein junges Talent: Er braucht Platz, um sich zu entfalten, aber nicht ZU viel, sonst wird er frech.
Interessant ist ja auch, wie unterschiedlich Menschen und Bäume ticken.
Der Buchs braucht Raum.
Menschen brauchen manchmal dasselbe – nur nennen sie es Wochenende.
Die Zirbelkiefer – die “Operation Kaskade”
Und jetzt kommt der Teil, bei dem sogar erfahrene Bonsaifreunde wissend nicken:
Die Erstgestaltung einer Kaskade.
Eine Kaskade klingt romantisch.
Aber die Arbeit dahinter… nun ja… die ist eher wie eine Mischung aus Yoga, Wrestling und Chirurgie.
Die junge Zirbelkiefer wurde erst in einen TiePot gesetzt, damit sie ein solides Wurzelwerk ausbauen kann. Dann kam die Gestaltung – und die hatte es in sich.
Für Außenstehende sieht es so aus, als würde man einen jungen Baum verhaften:
Raffia-Bast zum Schutz.
Samurai-Protektionsband – allein der Name klingt schon nach „Wenn du das hier benutzt, wird’s ernst“.
Und dann 6 mm Aludraht – also nicht die zarte Version, sondern das Bonsai-Äquivalent einer Brechstange.
Die Biegung?
Stark.
Mutig.
Ein bisschen verrückt.
Genau richtig.
Wer zum ersten Mal eine kräftige Biegung erlebt, stellt sich oft dieselbe Frage:
„Darf man das?“
Ja.
Man darf.
Man muss sogar – aber nur, wenn man weiß, was man tut.
Und genau an diesem Wochenende wurde dieses Wissen geteilt, weitergereicht, unaufgeregt, aber mit viel Leidenschaft.




Wissen weitergeben – ein Geschenk mit Langzeitwirkung
Werkzeug wurde ausgetauscht.
Alte, aber funktionstüchtige Tools wanderten in neue Hände.
Und weil Bonsai nun mal Kreativität liebt, entstand sogar ein DIY-Werkzeug: eine Erdkralle aus einer simplen Gabel.
Ja, richtig gelesen: aus einer Gabel.
Bonsai macht erfinderisch.
Sogar sehr.
Ein gemeinsamer Workshop ist mehr als nur Arbeit am Baum.
Er ist Arbeit an der Verbindung – zwischen Generationen, Interessen und Perspektiven.
Und genau das passierte hier:
Ein Wissenstransfer, der nicht belehrend, sondern inspirierend wirkte.
Wie ein freundlicher Schubs in die richtige Richtung.
Der krönende Abschluss: Grillduft, gute Gespräche, kaltes Bier
Wenn die Hände voller Substratreste sind und die Gedanken voller neuer Ideen, dann braucht es etwas Bodenständiges.
Zum Beispiel ein Grill, der schon beim Anzünden nach „Gleich wird’s lecker“ riecht.
Rostbratwürste.
Nackensteaks.
Kartoffel- und Nudelsalat.
Und ein Bier, das schmeckt wie Urlaub auf Balkonien.
Kann es einen besseren Abschluss geben?
Wahrscheinlich nicht.
Denn gute Bonsaiarbeit macht hungrig – und gute Gespräche entstehen nun mal leichter, wenn man entspannt in der Abendsonne sitzt.
Zwei frisch gestaltete Bäume – und ein noch frischeres Lächeln
Am Ende des Tages ging der Sohn mit seinen neu gestalteten Bäumen zufrieden nach Hause.
Nicht nur die Bäume hatten an Form gewonnen – die Begeisterung auch.
Und die Vorfreude?
Die wächst schneller als jeder Wurzelaustrieb im Hochsommer.
Der nächste „Familienworkshop“ kommt.
Ganz sicher.
Und wer weiß – vielleicht wächst hier nicht nur ein Hobby, sondern eine kleine Tradition.
Eine, die Wurzeln schlägt.
Tiefe sogar.
Und jetzt zu dir:
Welche Verbindung entsteht bei dir, wenn du an deinen eigenen ersten Bonsai denkst?
Und hast du schon jemanden in dein Hobby hineingezogen – oder zieht gerade jemand dich hinein?
Schreib’s in die Kommentare oder erzähl’s beim nächsten Stammtisch:
Bonsai verbindet.
Manchmal stärker als jedes Drahtwickeln.






Nachklapp: Alle Beiträge auf diesem Blog entstehen aus meinem eigenen Interesse an den jeweiligen Themen. Ich teile hier meine persönlichen Erkenntnisse und Erfahrungen, um dir hilfreiche Einblicke zu geben.
Werde Teil unserer Leserschaft und verpasse keine Neuigkeiten mehr – abonniere den Bonsai-Treff Blog => HIER
